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Geschichte des Wasserturms

Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden Pläne geschmiedet, um aus dem idyllisch inmitten von Wäldern gelegenen Hermsdorf und dem nahegelegenen Frohnau einen Kurort zu entwickeln. Auch wenn diese Ambitionen nicht realisiert wurden, so florierte dennoch der Ort zu einem bevorzugten Wohngebiet mit Beamtenwohnungen und Luxusvillen. Hermsdorf war weit von den Wasserversorgungseinrichtungen anderer Gemeinden entfernt, weshalb der Bau eines eigenen Wasserwerks eine grundlegende Notwendigkeit für die damals 4.000 Einwohner starke Gemeinde darstellte. Von der Gemeindeentscheidung im Jahr 1907 vergingen zwei Jahre, bis das Werk südwestlich des Ortes mit drei Brunnen, einem Maschinenhaus, dieselbetriebenen Pumpen, einer Enteisenungsanlage und einem Wohngebäude fertiggestellt werden konnte.

Planung und Bau

Da das Gemeindegebiet sehr flach liegt, musste der erforderliche Wasserturm einige Kilometer entfernt bereits auf Frohnauer Gebiet stehen. Dies stellte jedoch kein Problem dar, da die Versorgung Frohnau sowie auch Waidmannslust und Lübars umfasste. Das Gelände war damals unbebaut, sodass der auf dem höchsten Punkt im Stil der märkischen Backsteingotik errichtete Wasserturm mit seinen Zinnen besonders eindrucksvoll an einen mittelalterlichen Stadtbefestigungsturm erinnerte. Die Bremer Baufirma Carl Francke, die zwei Jahre zuvor in Hermsdorf ein Gaswerk gebaut hatte, war für Planung und Bau verantwortlich. Der Friedhof Hermsdorf entstand erst 1912 rund um den Turm herum.

Der Turm erlangte besondere Bedeutung, da ihn der damals noch unbekannte junge Maler Max Beckmann (1884-1950) zweimal malte. Beckmann hatte sich 1907 ganz in der Nähe, in der Ringstraße 8, niedergelassen und erlebte somit den Bau des Turms mit. Diesen hielt er 1909 in einem Ölgemälde fest und zeigte ihn 1913 als fertiges Bauwerk. Kunsthistoriker sehen in dem frühen Bild Einflüsse des französischen Impressionismus sowie eine bedrohliche Stimmung, die sie so interpretieren, dass Beckmann das in seinem geliebten Hermsdorfer Wald realisierte technische Großprojekt als unabwendbaren zerstörerischen Eingriff ansah.

Stilllegung

Als Hermsdorf zu einem Ortsteil Berlins wurde, versorgte das zwischenzeitlich erweiterte Wasserwerk 14.000 Einwohner. Die Berliner Wasserwerke übernahmen das Werk und nutzten es nach dem Anschluss an das Versorgungsnetz der Stadt bis zum 29. Oktober 1928 als Überpumpwerk. Danach wurde es, ebenso wie der Wasserturm, stillgelegt. Damit begann für die nordwestlichen Vororte eine fast 68 Jahre dauernde Phase der Ratlosigkeit bezüglich der Nutzung des Gebäudes.

Einige Jahre nach der Stilllegung des Turms schlug Stadtrat Cronauer vor, den in den Besitz des Bezirks übergegangenen Turm als Aussichtsturm mit Café zu nutzen, "um den überaus herrlichen Rundblick vom Turm aus zu genießen". Auch würde dadurch "einem Erwerbslosen bzw. einem Kriegsbeschädigten die Möglichkeit gegeben, sich durch Übernahme der Aufsicht eine bescheidene Existenz zu gründen". Gegen den Plan wandte sich die Friedhofsverwaltung, da dies mit der Ruhe auf dem Friedhof nicht vereinbar sei. Sie selbst entwickelte die Idee, rund um den Turm einen Urnenhain anzulegen und den Turm als Urnenhalle zu nutzen. Doch auch dieser Plan wurde nicht realisiert.

1938 stellte die Bauverwaltung die Baufälligkeit der oberen Plattform fest und untersagte das Besteigen des Turms. Damit schien sein Schicksal besiegelt, denn nun sprach eigentlich nichts mehr gegen einen Abriss. Der Beginn des Krieges verhinderte jedoch die Umsetzung des Plans. Trotz der Baufälligkeit wurde auf die obere Plattform eine Beobachtungsstation für Polizei und Militär installiert. Während des Krieges erlitt der Turm keine größeren Schäden.

Nach Kriegsende

Nach dem Krieg geschah zunächst nichts, möglicherweise auch weil niemand wusste, wem der Turm eigentlich gehörte. Erst im Jahr 1966 stellte das Gartenbauamt in einem Gutachten fest, dass die Stadt Berlin der Eigentümer des Turms war. Das Deutsche Rote Kreuz nutzte den Turm als Funkempfangsanlage, während die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ihn als Empfangsanlage für den Sprechfunk verwendeten. Das Gartenbauamt zeigte kein Interesse am Erhalt des Bauwerks, das sich mittlerweile in einem äußerst bedauernswerten Zustand befand. Regenwasser drang durch die Decke ein, und der Gutachter konnte nicht auf das Dach gelangen, da die Treppe, die zum Behälter führte, durch Bauschutt versperrt war.

Die 70er Jahre

Im Jahr 1969 entstand um den Turm eine hitzige Debatte, ausgelöst durch den Leserbrief des Pfarrers und CDU-Bezirksverordneten Alwin Paasch an die Nordberliner Wochenzeitung. Paasch wandte sich gegen die angebliche Notwendigkeit, 250 Grabstellen zu entfernen, um einen Zugang zu dem geplanten Aussichtsturm im Wasserturm zu schaffen. Ein Artikel der Zeitung vom 15. August behandelte das Thema als Tatsache. Ein heftiger Streit zwischen Paasch und dem SPD-Abgeordneten Bodo Thomas, in dem Thomas den Pfarrer als Demagogen und Lügner bezeichnete, führte zum Austritt der CDU-Fraktion. Der zuständige SPD-Stadtrat Schäfer erklärte jedoch, dass ein solcher Beschluss nie gefasst worden sei. Dennoch scheint der Plan diskutiert worden zu sein, da bereits 1967 in der Morgenpost über ihn berichtet wurde und Umbaupläne zu einem Aussichtsturm mit Wohnung vom Sommer 1969 in den Akten des Gartenbauamts zu finden sind. Die öffentliche Diskussion ruhte nun für einige Jahre.

In der Zwischenzeit hatte sich der Denkmalschutz für den Erhalt des Bauwerks eingesetzt. Im Jahr 1976 sah er jedoch keine Möglichkeit, Geldmittel für die Sanierung aufzubringen oder aus Lottomitteln zu beschaffen, wie auf Anfrage mitgeteilt wurde. Die Nutzung durch das Rote Kreuz und die BVG bestand seit 1973 nicht mehr.

Anfang 1978 wurde das Bezirksamt wieder aktiv und suchte über die Zeitung nach einem Nutzer. Am 4. April drängten sich 44 Interessenten im Turm. Baustadtrat Gardain forderte von ernsthaften Interessenten bis zum 5. Juni einen Nutzungsvorschlag und ein gesichertes Finanzierungskonzept, wobei er die Kosten auf mindestens 500.000 DM schätzte. Die Nutzung als Gaststätte wurde von Anfang an wegen der Lage des Turms ausgeschlossen. Leider gingen zum Termin keine Vorschläge beim Bezirksamt ein, und nach Verlängerung um einen Monat wurden zwar vier Vorschläge eingereicht, jedoch keiner mit einem gesicherten Finanzierungskonzept. Drei Bewerber planten den Einbau von Wohnungen, wobei einer davon, Prof. Baller, den Behälter erhalten und als Schwimmbad nutzen wollte.

Der vierte Vorschlag kam von der Technischen Universität, die das Gebäude als "energieautonomes" Gästehaus mit Windrad und Sonnenkollektoren ausstatten wollte. Bis September sprangen zwei Bewerber ab, jedoch kam eine sehr attraktive Idee des Architekten Richard Tietz hinzu, das Gebäude kulturell als Galerie, Theater, Bibliothek und Aussichtsturm zu nutzen. Keiner der Bewerber wusste jedoch, wie sein Projekt finanziert werden sollte, und hoffte auf staatliche Mittel oder Lottomittel. Im Oktober blieb nur noch Prof. Salier übrig, der eine Finanzierungsmöglichkeit sah und nach entsprechenden Verhandlungen den Turm fast kostenlos bekommen sollte. Leider war die Rechtslage jedoch nicht so klar, wie vom Bezirk zunächst angenommen. Die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen benötigte mehr als zwei Jahre, um zu überlegen, ob sie der Nutzung des Turms zu Wohnzwecken zustimmen konnte, weshalb der Interessent schließlich seinen Plan aufgab, ohne dass eine Entscheidung getroffen wurde.

Erhalt und heutige Nutzung

Es wurde wieder ruhig um den Turm. Geld für die Renovierung war nicht vorhanden, und es gab keine Interessenten. Im Januar 1987 stellte das Heimatmuseum die Diplomarbeit des angehenden Berliner Architekten Thomas W. A. Müller aus dem Jahr 1985 vor, in der er vorschlug, Ausstellungsräume, ein Fotostudio und eine Wohnung in den Turm einzubauen. Stadtrat Gardain schrieb in seinem Vorwort zum Ausstellungskatalog: "Es bleibt die Hoffnung, dass die reizvollen Möglichkeiten der Nutzung dieses alten Bauwerks eines Tages Wirklichkeit werden." Solche Pläne wurden jedoch nie umgesetzt. Inzwischen gibt es eine Nutzung, die optimal mit der Ruhe auf dem Friedhof vereinbar ist.

Im Jahr 1996 schlossen E-Plus und Mannesmann einen Vertrag mit dem Bezirksamt. Danach durften sie das Bauwerk für Sende- und Empfangsanlagen 30 Jahre lang kostenlos nutzen, unter der Bedingung, dass der Turm instand gesetzt wird, was mittlerweile geschehen ist. Dabei wurde die untere Holztreppe originalgetreu ersetzt, der obere Treppenzylinder und der Zugang zum Dach aus dem Wasserbecken entfernt und zusammen mit dem Dach erneuert und modernisiert. Um den Anforderungen des Denkmalschutzes zu entsprechen, ragen die Antennen nicht über das Bauwerk hinaus und sind farblich dem Mauerwerk angepasst.

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